Listiges Handeln wurde im Mittelalter ambivalent bewertet. Christliche Autoren verurteilten zwar grundsätzlich die List, betrachteten aber oft listiges Handeln als löblich oder gar heilig, wenn es einem guten Zweck diente. Diese Studie untersucht auf Grundlage hochmittelalterlicher Bischofs- und Abtsviten Listhandlungen in religiösen wie auch politischen Kontexten, die als legitime und raffinierte Mittel der Konfliktlösung beschrieben werden. Die Viten berichten etwa, wie Bischöfe und Äbte zu essen vortäuschten, Wasser statt Wein tranken und wie sie härene Bußgewänder unter goldenen Kleidern trugen, um ihre Askese zu verbergen. Sie legen dar, warum die heiligen Männer heimlich Almosen gaben, wie sie mit List Scham überwanden, wann sie ambige Sprache verwendeten und wieso sie bedenkenlos Diebstähle begingen. Inwiefern solche Listnarrative dazu dienten, problematische Erinnerungen zu modellieren und bestimmte Makel zu beseitigen, ist ebenfalls Gegenstand dieser Untersuchung.
englischDeceits were evaluated ambivalently in the Middle Ages. Although Christian authors condemned the use of deceits in general, they often regarded them as praiseworthy or even holy if they served a good cause. On the basis of the lives of high medieval bishops and abbots this study examines deceits in political and religious contexts that are described as legitimate and sophisticated means of conflict management. The Vitae describe, for instance, that bishops and abbots pretended to eat, drank water instead of wine and wore their hairshirts under golden garments in order to conceal their ascetic lifestyle. They explain why holy men secretly gave alms, how they overcame shame with cunning, in which contexts they used ambiguous language and why they committed thefts without hesitation. This study also focusses on the question how such narratives were used to change the perception of specific flaws.