Ändert der BGH oder das BAG seine Rechtsprechung, stellt sich die Frage, ob die neue Judikatur in die Vergangenheit zurückwirkt. Die bisherigen Antworten kreisen meist um das Gebot rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes. Feste Konturen haben diese Positionen nicht gewonnen. Es fehlt eine Vertrauensgrundlage. Warum sollte das Vertrauen in eine Rechtsprechung schutzwürdig sein, die sich jederzeit ändern kann? Im Gegensatz dazu wird die Bindung der höchstrichterlichen Rechtsprechung an den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) wenig diskutiert. Der Autor plädiert dafür, vom Vertrauensschutz Abschied zu nehmen und das Rückwirkungsproblem mit der gleichheitsrechtlichen Selbstbindung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu lösen.
englischIf the Federal Supreme Court or the Federal Labour Court changes its case law, the question arises whether the new case law applies retroactively. Most solutions to this problem focus on the protection of legitimate expectations. But why should trust of private parties in the continued existence of case law, which can be changed at any time, be worthy of protection? In contrast, the application of the general principle of equality before the law (Article 3(1) Basic Law) on the judiciary is hardly ever discussed. The author argues that the problem of retroactivity should be solved by taking into account the self-binding nature of supreme court case law within the framework of the general principle of equality before the law.