Wie lassen sich die Entwicklungsländer für eine Norm humanitärer Interventionen gewinnen, die das Souveränitätsprinzip verletzt? Im Rückgriff auf die pragmatistische Sozialtheorie von George H. Mead entwickelt die Studie ein neuartiges Konzept normativen Wandels: Dieser wird nicht als Übernahme westlicher Normen, sondern als sozialer Wandel untersucht, der darauf beruht, dass Staaten Rollen freundschaftlicher Kooperation lernen.
Die empirische Basis bilden fünf Interventionsfälle seit 1990, wobei erstmals auch die Entwicklungsländer systematisch berücksichtigt werden (China, Arabische Liga, Organisation der Afrikanischen Einheit/Afrikanische Union). Signifikanter Normfortschritt wurde nur in den Fällen erzielt, in denen der Westen durch Selbstbeschränkung zur Kooperation einlud. Es zeigt sich also, dass eine liberal-demokratischen Weltordnung ihr Fundament weniger in gemeinsamen Werten als in der gelingenden, fallspezifisch herzustellenden internationalen Kooperation hat.
Ausgezeichnet mit dem Ruprecht-Karls-Preis der Universität Heidelberg 2013.
Ausgezeichnet mit dem Ruprecht-Karls-Preis der Universität Heidelberg 2013.
englischHow can developing states be won over for a norm of humanitarian intervention that compromises state sovereignty? Drawing on the pragmatist social theory of George H. Mead, this study develops a novel concept of normative change: It is not the adoption of, and sozialization into, (Western) norms through which normative change proceeds, but rather the learning of new roles of friendly international cooperation. In the empirical part, the study analyses five major humanitarian interventions since 1990. Its account of the role of developing countries (China, Arab League, Organisation for African Unity/African Union) in the diplomacy of humanitarian interventions is the most comprehensive so far. In all cases in which Western states exercised self-restraint and thus invited cooperation, there was significant normative progress. This means that a liberal-democratic world order has its real foundation not so much in shared values, but in successfull, case-specific international cooperation.